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Die Landkarten des Hobbits
"Der Hobbit" sollte ursprünglich fünf Karten enthalten: neben den beiden schließlich veröffentlichten noch drei, die das Gebiet zwischen Nebelgebirge und einsamen Berg im Detail darstellen sollten, bei denen aber Tolkien letzten Endes befand, daß sie doch nicht nötig wären.
Die erste Skizze zu Thrors Karte entstand bereits während der Niederschrift des ersten Kapitels des Hobbits um 1930, als von der restlichen Welt, die Bilbo erkunden sollte, noch kaum etwas bekannt war. Diese Karte kann daher als ältestes Dokument des späteren Mittelerde (aus der Zeit nach dem Silmarillion) gelten.
In der älteren Version ist Thrors Karte noch nach Norden hin ausgerichtet (und nicht nach Osten) und zeigt einen anderen Verlauf des Eilend - die Schleife um Thal herum fehlt. Dafür liegt der Drache hier tatsächlich, wie im Buch beschrieben, "mit Rot markiert auf dem Berg" und fliegt nicht wie in der veröffentlichten Version um den Berg herum. Auch zeigt die Hand am linken Bildrand genau auf die geheime Tür. In der späteren Version verfehlt sie diese um ein kleines Stückchen.
Während die Kartenskizze in schwarz und rot gezeichnet war, malte Tolkien die spätere Karte in schwarz, blau und rot. Tolkien plante, die Karte neben die entsprechende Textstelle im Buch einzufügen. Die Mondrunen sollten dabei spiegelverkehrt auf die Kartenrückseite gedruckt werden und durchscheinen, wenn man die Karte gegen das Licht hielte. Dem Verlag Allen & Unwin war dies aber zu teuer und die Karte wurde, wiederum nur in schwarz und rot, als Vorsatzblatt vor den Text gehängt.
Die veröffentlichte Karte, die stark entsprechenden mittelalterlichen Karten ähnelt, ist weniger eine Landkarte, die dem Leser helfen soll als eine Illustration, um eine authentische Atmosphäre zu schaffen. Und tatsächlich wird die Karte ja fast genau in der Form, in der sie der Leser zu Gesicht bekommt, im Buch erwähnt und für die Handlung gebraucht, im Gegensatz zu allen anderen von Tolkien gezeichneten Karten.
Die Wilderland-Karte war dagegen als Gesamtkarte gedacht, die dem Leser bei der Orientierung helfen sollte. Da sie erst gezeichnet werden konnte, als "Der Hobbit" schon relativ weit fortgeschritten war, muß ihr Entstehungsdatum irgendwann zwischen 1932 und 1935 gelegen haben. Zunächst fertigte Tolkien eine mehrfarbige Skizze an, die zwar weniger ausgeschmückt war als die veröffentlichte Karte, aber bereits alle wichtigen Details zeigte. Die endgültige Karte zeichnete er schließlich in schwarz und blau, veröffentlicht wurde sie dann aber wie Thrors Karte in schwarz und rot als zweites Vorsatzblatt.
Auf allen Karten zum Hobbit ist kein Maßstab angegeben. Den Maßstab kann man natürlich aus den Karten zum Herr der Ringe ersehen. Vergleicht man aber die Reisegeschwindigkeit Bilbos und den Zwergen mit derjenigen der Gefährten im Herr der Ringe so liegt der Schluß nahe, daß Tolkien im Hobbit noch einen wesentlich größeren Maßstab im Auge hatte; wenn die Zwerge nicht bedeutend langsamer vorangekommen wären, so wäre das ursprünglich geplante Wilderland fast doppelt so groß gewesen wie jenes schließlich im Herr der Ringe. Vielleicht hatten es aber die Zwerge wirklich nur alles andere als eilig, den Drachen zu Gesicht zu bekommen!
In den meisten späteren Ausgaben des Hobbits sowie in den deutschsprachigen Ausgaben war den Verlegern selbst ein zweifarbiger Druck zu aufwändig und die Karten erschienen nur noch schwarz auf weiss. In der ersten deutschen Taschenbuchausgabe "Der kleine Hobbit" von dtv fehlt Thrors Karte, die Wilderland-Karte wurde von Juliane Hehn-Kynast neu gezeichnet.
Dieser Artikel ist in Ausgabe 21 des "Flammifer von Westernis", der Vereinszeitschrift der Deutschen Tolkien Gesellschaft erschienen.
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